Es kommen immer mehr Migranten aus Subsahara-Afrika nach Europa. Wie eine neue Studie der TU Dortmund zeigt, wird das Thema in deutschen Medien aber eher vernachlässigt.
Der Umgang mit Flüchtlingen aus den vom Krieg gezeichneten Ländern Syrien, Afghanistan und Irak beherrscht seit vielen Monaten die Medien-Agenda, die zuletzt von der Debatte über Einwanderer aus Nordafrika dominiert wurde. Derweil steigt auch der Zustrom von Migranten aus Subsahara-Afrika nach Europa stetig an. Am heutigen Freitag beraten die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten beim Gipfel auf Malta über eine Lösung der Flüchtlingskrise.
Eine neue Studie der TU Dortmund zeigt nun: Viel zu selten werden in den deutschen Medien bislang die Hintergründe der Migration aus Afrika beleuchtet. Das wäre aber umso wichtiger, um in der Öffentlichkeit eine informierte Debatte beispielsweise über sichere Herkunftsländer führen zu können.
Die Studie untersucht erstmals vergleichend die Qualität der Berichterstattung über die Flüchtlingskrise in Deutschland in insgesamt elf Ländern. Im Zentrum der Studie steht die Migration von Afrika nach Europa. Untersucht wurde die Berichterstattung zweier führender Tageszeitungen (Online-Ausgaben) in Deutschland, England, Frankreich, Italien, Griechenland und Spanien sowie in Ghana, Kenia, Äthiopien, Uganda und Tansania im Zeitraum Mai 2015 bis Mai 2016. Für die Studie wurden mehr als 1.500 Artikel ausgewertet. Das Projekt wurde vom Erich-Brost-Institut der TU Dortmund gemeinsam mit dem Verein Africa Positive e.V. in Dortmund sowie den sieben Partneruniversitäten der in der Studie untersuchten Länder durchgeführt.
Die Studie weist mit Blick auf die Flüchtlinge aus Afrika, die in zunehmender Zahl nach Europa strömen, auf eklatante Defizite in der Medienberichterstattung hin:
- Obwohl nebenden Flüchtlingen aus Syrien, Irak und Afghanistan immer mehr Migranten aus Afrika nach Europa strömen, blenden deutsche Medien das Thema weitgehend aus. Nur 9% der zu diesem Thema gefundenen Artikel in Europa entfallen auf Deutschland, auf Spanien 8 %. Wesentlich mehr Aufmerksamkeit erfährt das Thema in Frankreich (35%), Italien (20%), Griechenland (16%) und Großbritannien (13%).
- Deutsche und andere europäische Medien berichten vor allem „euro-zentristisch“ über die Flüchtlingswelle aus Afrika: So wird in der Hälfte (51%) der deutschen Berichte über die wachsende Flüchtlingswelle aus Afrika kein einziges spezifisches afrikanisches Land benannt. Wenn sich deutsche bzw. europäische Medien mit der Situation in Afrika beschäftigen, dann hauptsächlich mit der Lage im Transitland Libyen.
- Der Berichterstattung über Migration aus Afrika fehlt ein menschliches Gesicht – lediglich in 22% der deutschen Beiträge tauchen afrikanische Personen, Organisationen oder Länder auf. Die Lage der afrikanischen Flüchtlinge rückt dann in das mediale Interesse, wenn wieder einmal spektakulär ein Flüchtlingsschiff im Mittelmeer kentert. Dominiert wird die europäische Medienagenda hingegen von europäischer und nationaler Migrationspolitik sowie Sicherheitsfragen.
- Nur 8% der europäischen Artikel sehen Migration in einem positiven Kontext, 56% bewerten sie neutral und 36% negativ. Auffällig sind hier die Bewertungsunterschiede – während französische Zeitungen nur zu 33% in negativen Kontexten über Migration aus Afrika berichten, sind es in Großbritannien kurz vor dem Brexit 67 % und in Deutschland immerhin 40%.
Medien in Europa zeigen dramatische Bilder über Bootsunglücke im Mittelmeer – aber die entscheidende Frage, warum jetzt und in Zukunft immer mehr junge Menschen aus afrikanischen Ländern nach Europa strömen, wird von den Medien nicht beantwortet. Doch auch die Medien in Afrika bieten den Menschen in den afrikanischen Ländern kein realistisches Bild. Die Berichterstattung hat kein menschliches Gesicht, sondern ist auf Eliten und Obrigkeiten in Afrika fixiert. Außerdem fehlt es eklatant an eigenen Recherchen.
Analysierte Zeitungen: Süddeutsche Zeitung & Frankfurter Allgemeine Zeitung (Deutschland), The Independent & The Telegraph (Großbritannien), Le Monde & Le Figaro (Frankreich), La Republica & Corriere della Sera (Italien), Ta Nea & Kathimerini (Griechenland), El País & ABC (Spanien), The New Vision & The Daily Monitor (Uganda), Daily News & The Guardian (Tansania), The Ethiopian Herald & Addis Zemen (Äthiopien), Ghanaian Times & Daily Graphic (Ghana), The Daily Nation & The Standard (Kenia).
Bildquelle: Photo Unit / Flickr CC: Matiop’s First Days as a Refugee in Uganda; Lizenzbedingungen: https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0/